Das DIGITALE KLINIKFORUM bot eine Plattform für wegweisende Diskussionen und innovative Ansätze im Gesundheitssektor. Martin Recht gab in seinem Vortrag “Zukunftsfähiges Recruiting für Krankenhäuser und Kliniken” Einblicke in die aktuellen Herausforderungen des Gesundheitswesens und präsentierte wegweisende Strategien, um den Teufelskreis des Personalmangels zu durchbrechen.
Sehen Sie sich hier den kompletten Vortrag von Martin Recht beim DIGITALEN KLINIKFORUM an:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Vimeo. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenZukunftsfähiges Personalmanagement für Kliniken und Krankenhäuser
In einem Gespräch mit einem erfahrenen Mediziner wurde mir vor Augen geführt, wie sich die Arbeitswelt in Krankenhäusern im Laufe der Zeit drastisch verändert hat. Früher stapelten sich auf den Schreibtischen von Klinikverantwortlichen Berge von Akten, Dokumenten und Bewerbungen. Doch diese Zeiten des scheinbaren Luxus sind vorbei. Der Grund: Der demografische Wandel und andere Faktoren führen dazu, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland in den kommenden Jahren spürbar schrumpfen wird.
Aktuell zählt Deutschland 46 Millionen Erwerbstätige, doch Prognosen deuten darauf hin, dass diese Zahl bis 2030 auf 39 Millionen sinken könnte. Dieser Rückgang an Arbeitskräften ist keine abstrakte Zukunftsvision, sondern bereits heute spürbar. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind nur Vorboten einer sich drastisch verschärfenden Situation, insbesondere im Gesundheitssektor.
Teufelskreis Personalmangel
Die Grundproblematik in vielen Kliniken ist der akute Personalmangel. Als Personalberatung haben wir die Gelegenheit, mit zahlreichen Kliniken und Krankenhäusern zu arbeiten, sprechen mit Entscheidern und sind vor Ort. Ein eindeutiges Muster zeigt sich: Fast überall gibt es einen Mangel an qualifiziertem Personal. Dieser Mangel führt zu einer Überlastung der vorhandenen Mitarbeiter, was wiederum zu einem schlechten Arbeitsklima führt.
Ein Teufelskreis entsteht: Die Überlastung führt zu Unzufriedenheit, Kündigungen folgen, und mit jeder Kündigung verschärft sich nicht nur die Patientenversorgung, sondern auch die finanzielle Lage der Kliniken. Betten müssen geschlossen, möglicherweise sogar ganze Stationen aufgegeben werden.
Teufelskreis durchbrechen: 4 entscheidende Punkte
1. Kenne Deinen Markt
Die Lösung beginnt mit einem genauen Verständnis der eigenen Situation. Klinikentscheider müssen den Arbeitsmarkt an ihrem Standort verstehen. Der Vergleich zwischen einer Großstadt und einer ländlichen Gemeinde verdeutlicht, wie unterschiedlich die Voraussetzungen sein können. In der Großstadt stehen mehr Pflegekräfte zur Verfügung, während in ländlichen Gebieten der Markt träger ist und Stellen länger unbesetzt bleiben.
Analyse der Personalsituation: Stadt vs. Land
In der Betrachtung zweier Szenarien, einem Krankenhaus in einer Großstadt und einem in einem ländlichen Gebiet, wird deutlich, wie unterschiedlich die Herausforderungen im Bereich des Recruitings sein können.
In der Großstadt, die 96 Krankenhäuser beheimatet und eine große Einwohnerzahl aufweist, stehen potenziell 54.000 Pflegekräfte zur Verfügung. Die durchschnittliche Vakanzzeit, also die Zeit von der Ausschreibung einer Stelle bis zu ihrer Besetzung, beträgt hier 164 Tage, etwa ein halbes Jahr.
Im Gegensatz dazu präsentiert sich die Situation in der ländlichen Gemeinde. Mit nur 22.000 Einwohnern und vier Krankenhäusern stehen hier lediglich 938 Pflegekräfte zur Verfügung. Die Vakanzzeit ist mit durchschnittlich 308 Tagen hier deutlich länger, fast ein Jahr.
Warum wird auf diese Szenarien eingegangen? Die Antwort liegt in der Notwendigkeit, das Recruiting an die spezifischen Bedingungen des Standorts anzupassen. Es gibt keine universelle Lösung, und unterschiedliche Methoden müssen in Betracht gezogen werden.
Klarheit über den Standort: Der Schlüssel zum erfolgreichen Recruiting
Die Haltung “Wir haben schon alles versucht” ist nicht ausreichend. Selbst die beste Marketingstrategie wird wirkungslos, wenn sie nicht auf die spezifischen Gegebenheiten des Standorts abgestimmt ist.
Daher sollten sich Krankenhausverantwortliche klare Fragen stellen:
- Wie viele potenzielle Kandidaten gibt es im Einzugsgebiet?
- Wie groß ist die Gesamtzahl der verfügbaren Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt?
- Ist der Markt begrenzt oder stark umkämpft, und welche Maßnahmen können ergriffen werden, um neue Märkte oder Kandidaten anzusprechen?
- Wie viele Bewerbungen werden pro Einstellung benötigt?
Ein grundlegendes Verständnis der eigenen Marktsituation ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Recruiting. Eine umfassende Analyse des Standorts, der potenziellen Kandidaten und des Wettbewerbsumfelds ist notwendig, um wirksame Recruiting-Strategien zu entwickeln. Es geht darum, nicht nur Quantität, sondern vor allem Qualität in den Fokus zu stellen. Nur so können Krankenhäuser sicherstellen, dass sie die richtigen Fachkräfte gewinnen und langfristig binden, um dem wachsenden Personalmangel entgegenzuwirken.
2. Seien Sie unwiderstehlich
Bei meiner Arbeit mit Kliniken fällt mir immer wieder auf, dass eine Vielzahl von Überlegungen angestellt wird, wenn es um die Mitarbeitergewinnung geht. Verschiedenste Benefits, wie beispielsweise Jobräder, werden angeboten. Doch letztendlich müssen sich Arbeitgeber darüber im Klaren sein, was für die Mitarbeiter wirklich zählt.
Gehalt als Basis:
Natürlich ist es schön, wenn Kliniken Zusatzleistungen anbieten, aber im ersten Schritt steht das Gehalt im Fokus. Die Vereinbarung, Zeit gegen Geld zu tauschen, bleibt grundlegend.
Kollegiales Umfeld:
Die Bedeutung der Arbeitskollegen sollte nicht unterschätzt werden. Ein gutes Arbeitsklima ist entscheidend, da Mitarbeiter einen erheblichen Teil ihrer Zeit mit ihren Kollegen verbringen.
Interessante Tätigkeiten und Perspektiven:
Die Attraktivität der Tätigkeit spielt eine große Rolle. Mitarbeiter möchten Perspektiven aufzeigen können – sei es durch Weiterentwicklungsmöglichkeiten oder klare Karrierepfade innerhalb der Klinik.
Flexibilität als Schlüssel:
Flexibilität seitens des Arbeitgebers ist entscheidend, um Mitarbeiter langfristig zu binden. Lebensrealitäten ändern sich, und flexible Arbeitsmodelle sind ein großer Pluspunkt.
Wohnraum als Bonus:
Insbesondere in Regionen mit begrenztem Wohnraumangebot ist die Bereitstellung von Wohnraum ein großer Bonus. Dies kann ein entscheidender Anreiz sein, um Mitarbeiter in die Region zu locken.
Familienfreundliche Maßnahmen:
Die Betreuung der Kinder ist ein großer Bonus und trägt zur Mitarbeiterbindung bei. Es ist wichtig, dass Kliniken hier entsprechende Angebote schaffen.
Mobilität und Anbindung:
Die Frage nach Mobilität und Anbindung ist entscheidend. Öffentlicher Nahverkehr und andere Transportmöglichkeiten beeinflussen die Attraktivität des Arbeitsorts.
Was ist Mitarbeitern wirklich wichtig?
Es ist wichtig, dass Arbeitgeber sich bewusst machen, dass Bewerber individuelle Lösungen für ihre Lebenssituation erwarten. Die Kommunikation dieser individuellen Vorteile und die erlebbare Darstellung von Arbeitsbedingungen sind entscheidend, um im heutigen Wettbewerb um Fachkräfte erfolgreich zu sein. Klare Kommunikation, konkrete Formulierungen und regelmäßiger Austausch mit den Mitarbeitern sind unabdingbar, um eine unwiderstehliche Arbeitgebermarke zu schaffen.
3. Kandidatenzentrierte Prozesse: Effizienz und Nähe im Bewerbungsverfahren
Effiziente und kandidatenorientierte Prozesse sind entscheidend, um Bewerber für sich zu gewinnen. Ein Beispiel verdeutlicht, wie ein Bewerbungsprozesse in Krankenhäusern und Kliniken typischerweise aussehen.
Die Erfahrung von Bewerberin “Julia” im klassischen Bewerbungsprozess:
- Julia sendet ihre Bewerbungsunterlagen.
- Sie erhält relativ zeitnah eine Einladung zum Vorstellungsgespräch.
- Das Vorstellungsgespräch dauert etwa eine Stunde.
- Trotz positivem Gespräch erhält Julia keine direkte Rückmeldung.
- Nach drei Tagen meldet sich jemand und signalisiert Interesse.
Julia wartet sechs Wochen auf den Arbeitsvertrag. - Der Arbeitsvertrag kommt letztendlich an.
Optimierter, dreistufiger Prozess:
Wir haben diesen Prozess bereits erfolgreich bei einigen Kliniken eingeführt und konnten die Zeit bis zur Vertragsunterzeichnung erheblich verkürzen. Und damit auch den internen Arbeitsaufwand.
- Telefonischer Erstkontakt:
- Essentielle Abklärungen werden telefonisch getroffen.
- Persönliches Kennenlernen:
- Ein Treffen vor Ort, um persönliche Eindrücke zu sammeln.
- Schnuppertag:
- Ein drittes Treffen, bei dem der Bewerber den Arbeitsplatz erleben kann.
- Entscheidungsfähigkeit wird angestrebt, idealerweise mit einem vorbereiteten Arbeitsvertrag.
Dieser optimierte Prozess kann die Dauer auf etwa 21 Tage reduzieren, was erheblich zur Zufriedenheit der Bewerber beiträgt.
Empfehlungen für erfolgreiche, kandidatenzentrierte Prozesse:
Klarer Ansprechpartner: Jeder Bewerber sollte einen klaren Ansprechpartner haben, der durch den gesamten Prozess führt. Dies schafft Vertrauen und ermöglicht eine effektive Beziehungsbildung.
Flexibilität und Schnelligkeit: Die Komplexität und Dauer von Bewerbungsprozessen sollte kontinuierlich überdacht und optimiert werden. Schnelligkeit und Flexibilität sind Schlüsselbegriffe in der heutigen Arbeitswelt.
Bindung durch persönliche Betreuung: Bei länger dauernden Prozessen verliert der Bewerber möglicherweise das Interesse. Ein persönlicher Betreuer kann die Beziehung stärken und den Bewerber motivieren.
Regelmäßige Kommunikation: Bewerber sollten regelmäßig über den Stand des Prozesses informiert werden, um Unsicherheiten zu vermeiden.
Die Umstellung von starren, zeitaufwändigen Prozessen auf flexible und kandidatenzentrierte Abläufe kann einen erheblichen Wettbewerbsvorteil schaffen. Es ist wichtig, die Erfahrung der Bewerber im Blick zu behalten und Prozesse kontinuierlich zu optimieren.
4. Übernehmen Sie Verantwortung im Recruiting
In schwierigen Situationen, in denen herkömmliche Ansätze nicht mehr funktionieren, ist es entscheidend, Verantwortung zu übernehmen und kreative Lösungen zu finden. Einige wichtige Aspekte sind dabei zu beachten:
Potenzial erweitern: Überlegen Sie, wie Sie neues Potenzial gewinnen können. Betrachten Sie verschiedene Ansätze oder die Erschließung neuer Zielgruppen. Beachten Sie, dass ein erfolgreiches Onboarding und Wohnraumangebote einen Einfluss auf die Gewinnung neuer Mitarbeiter haben können.
Social Recruiting kritisch betrachten: Social Recruiting wurde oft als Allheilmittel präsentiert, aber die Realität kann enttäuschend sein. Viele Kliniken erleben geringe Bewerberqualität, schwierige Erreichbarkeit und hohe Arbeitsbelastung durch Social Recruiting. Seien Sie vorsichtig bei der Zusammenarbeit mit Dienstleistern, um negative Erfahrungen zu vermeiden.
Authentische Darstellung im Social Recruiting: Vermeiden Sie standardisierte Anzeigen, die austauschbar sind. Authentische Einblicke in den Arbeitsalltag, echte Mitarbeiterbilder und individuelle Botschaften sind entscheidend. Achten Sie darauf, dass die Klinik als Arbeitgeber und nicht nur der Dienstleister sichtbar ist.
Direkte Identifikation mit der Klinik: Viele qualifizierte Mitarbeiter möchten sich direkt mit der Klinik identifizieren und nicht über Dienstleister bewerben. Übernehmen Sie als Klinik die Verantwortung für Ihr Recruiting und Ihre Markenpräsenz.
Kontrolle über Recruiting übernehmen: Stellen Sie sicher, dass Sie die Kontrolle über Ihre Botschaften und Bilder im Recruiting-Prozess behalten. Überlegen Sie, ob Sie die Kompetenz und Daten im Haus entwickeln oder dies an externe Dienstleister delegieren.
Fazit: Zusammenfassung der 4 Schlüsselregeln
- Marktkenntnis: Kenntnis des Arbeitsmarkts, der Konkurrenten und der Bedürfnisse potenzieller Mitarbeiter. Klare Positionierung im Wettbewerbsumfeld.
- Mitarbeiterbedürfnisse: Kontinuierlicher Austausch mit Mitarbeitern, um deren Bedürfnisse und Motivationen zu verstehen. Entwicklung von Anreizen und Maßnahmen, die sowohl neue als auch bestehende Mitarbeiter schätzen.
- Effiziente Prozesse: Entwickeln Sie schlanke, unkomplizierte und effiziente Recruiting-Prozesse. Beachten Sie, dass kleine Details in den Prozessen den Unterschied machen können.
- Verantwortung übernehmen: Aktive Auseinandersetzung mit dem Recruiting-Prozess. Aufbau von Kompetenzen im Haus, um die Kontrolle über den Recruiting-Prozess zu behalten.
Indem Sie diese Regeln befolgen und sich aktiv um Ihr Recruiting kümmern, können Sie den Teufelskreis durchbrechen und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Die Personalbeschaffung für Krankenhäuser und Kliniken ist eine komplexe Aufgabe, die eine nachhaltige Herangehensweise erfordert. Indem Sie Ihren Markt verstehen, unwiderstehlich für potenzielle Bewerber sind, Bewerbungsprozesse optimieren, Mitarbeiterbindung und -entwicklung fördern und aktiv Verantwortung und Kontrolle übernehmen setzen, können Sie nachhaltige Recruiting-Erfolge erzielen.
Investieren Sie in nachhaltiges Recruiting, um die Qualität der Patientenversorgung sicherzustellen und Ihre Einrichtung erfolgreich in die Zukunft zu führen.
Über das DIGITALE KLINIKFORUM:
Das DIGITALE KLINIKFORUM ist eine Veranstaltungsreihe des Fachmagazins PFLEGEMARKT REPORT. Am 28.11.2023 fand das Event für Entscheider in Krankenhöusern unter dem Titel “Zukunftsfähige Wege im Patienten- und Personalmanagement” statt. Geladen waren renommierte Gäste wie Prof. Dr. Jochen A. Werner und Prof. Dr. David Matusiewicz.
Das nächste DIGITALE KLINIKFORUM findet am 28.02.24 mit dem Thema “Die Zukunft des Deutschen Klinikmarktes” statt. Sie können sich bereits jetzt für das Event anmelden.
Beratungstermin anfragen
Wir rufen Sie zurück und vereinbaren einen Termin um ihr Anliegen zu besprechen.